Während der letzten Monate habe ich viel über Yoga nachgedacht. Gut, dass mache ich eigentlich schon seit Jahren. Aber auch ich habe mich jahrelang hauptsächlich mit der Asanapraxis (also unseren typischen Yogastunden) und mit Meditationen beschäftigt. Erst im letzten Jahr fing ich an mich wirklich tiefer gehend (und ausführlich) mit der Yoga-Philosophie und den zahlreichen Elementen einer Yogapraxis auseinander zu setzen. Die Reflexion dieser Umstellung hat mir kürzlich einige Dinge klargemacht, die ich hier mit euch teilen möchte:

1. YOGA IST EINE LEBENSART
Das ist eigentlich keine neue Erkenntnis. Allerdings ist mir durch meine Selbstreflexion aufgefallen, wie sehr Yoga mein Leben verändert hat. Hier eine kleine Aufzählung einiger Lebensbereiche, die sich gewandelt haben: Mein (nun liebevoller) Umgang mit mir selbst und die (nun achtsameren) Begegnungen mit anderen. Mein Verständnis von Erfolg und meine Ziele. Meine Sicht auf das Wasserglas, das mir nun viel öfter hab voll erscheint. Auch mein Alltag und meine Prioritäten haben sich geändert…
Natürlich wächst ein Mensch im Leben, ob mit oder ohne Yoga. Aber das besondere für mich ist, dass ich auf so viele dieser Veränderungen stolz bin. Yoga umgibt mich längst auch abseits meiner Matte und scheint einige Bereiche ins Gleichgewicht zu bringen.

2. YOGA IST UNGLAUBLICH VIELFÄLTIG
Ich glaube für Nicht-Yogis* wirkt Yoga immer eher einschränkend, manchmal sogar dogmatisch. Für mich als Vinyasa-Schülerin und -Lehrerin ist Yoga viel eher ein möglicher Weg zu mehr Freiheit. Yoga KANN viele Bereiche deines Lebens beeinflussen und letztlich verbessern, aber DU ALLEINE entscheidest ob und zu welchem Zeitpunkt du tiefer in die Praxis eintauchst. Ich habe mit meiner Asanapraxis angefangen, als ich während meines Studiums jedes Körpergefühl und zu viel meines Selbstwertgefühls verloren hatte. Ich war gestresst, unausgeglichen, unsicher und angespannt. Die wöchentliche Yogastunde hat mir erlaubt meinen Körper und meine Gefühle zu spüren. Diese 60 Minuten waren ein Anker und eine Ruheoase (wobei ich damals sicherlich andere Worte gewählt hätte). Später habe ich Meditation für mich entdeckt und schätzen gelernt. Bis jetzt fasziniert mich die Tatsache, dass schon 5-10 Minuten täglich meine mentale Gesundheit grundlegend verändern konnten. Die weitere Beschäftigung mit Yamas und Niyamas (=Verhalten sich selbst und anderen gegenüber) hat mir erlaubt einige Glaubenssätze und gesellschaftliche Werte zu hinterfragen und daraus meine eigenen Schlüsse zu ziehen. Während der letzten Monate beschäftige ich mich vermehrt mit meiner Atmung und bin erneut fasziniert und dankbar für die unendlichen Möglichkeiten unser Befinden mithilfe von Atemübungen zu verändern. Das Beste daran ist das Wissen, dass ich immer weitere Elemente kennenlernen darf, dass der Weg im Yoga niemals abgeschlossen sein wird. Da gibt es so viele Möglichkeiten mich selbst und meine Position im Leben besser zu verstehen. Es ist kaum zu glauben, aber die Yoga-Philosophie hält für jede Situation die passenden Ansätze und Weisheiten bereit. Eine unerschöpfliche Quelle sind beispielsweise die Yoga-Sutren.

3. WIR VERPASSEN UNSER EIGENES LEBEN
Die Art wie ich die längste Zeit gelebt habe und viele Menschen in westlichen Ländern leben, ist das Streben nach Erfolgen. Wir hangeln uns von einem Meilenstein zum nächsten. Ob das Intervall durch die Urlaube bestimmt wird oder durch schulische/berufliche Erfolgen, empfinde ich dabei als zweitrangig. Denn das Problem an diesem „Lebensmodell“ ist eindeutig, dass die Meilensteine vielleicht 5 Prozent der Lebenszeit ausmachen. Dafür vernachlässigen wir Menschen alles Schöne, alles Lebenswerte zwischen den Höhepunkten. Das Leben, DEIN LEBEN passiert aber auch abseits jedes Erfolges. 95 Prozent deiner Lebenszeit verbringst du mit deinem Alltag! Ich finde spätestens dieses Wissen sollte Anlass genug sein, genau diesen Alltag so lebenswert wie möglich zu gestalten und so bewusst wie möglich zu erleben. Oder nicht? Das bedeutet natürlich nicht, dass es keine anstrengenden Tage oder blöden Aufgaben mehr geben wird. Sondern einfach nur, dass wir uns einen zumeist lebenswerten Alltag schaffen sollten, der uns erlaubt das Leben zu genießen. Eine Yogastunde besteht auch nicht nur aus „Peak Positions“, sondern aus vielen Übergängen, Dehnungen und Atemzügen. Und Yogis* genießen die ganze Yogastunde, nicht nur eine handvoll besonders fordernde Asanas.

4. YOGA HAT DAS POTENTIAL UNSERE WELT EIN STÜCKCHEN BESSER ZU MACHEN
Das ist eine gewagte These und das ist mir wohl bewusst. Trotzdem traue ich mich, diese Aussage hier zu platzieren. Zunächst einmal hat Yoga die Kraft DEIN LEBEN zu verändern und zum Positiven zu transformieren. Darüber hinaus glaube ich aber, dass die damit einhergehende Entschleunigung, die Bewusstheit und der veränderte Umgang mit sich selbst und anderen tatsächlich auch die Menschen um dich herum positiv beeinflusst. Jede Veränderung fängt im Kleinen (hier bei dir selbst) an. Vielleicht hast du schon einmal etwas vom Schmetterlingseffekt gehört? In der Nichtlinearen Dynamik wird davon ausgegangen, dass nicht absehbar ist, welche großen Auswirkungen eine kleine Veränderung innerhalb eines Systems haben kann. Und was diese Welt meiner Meinung nach gebrauchen kann, ist ein bisschen mehr Optimismus, ein bisschen mehr Toleranz und ein liebevollerer Umgang untereinander.

Yoga kann also so viel mehr sein, als die hierzulande weitverbreitete Asanapraxis. Dennoch spricht überhaupt nichts dagegen einfach regelmäßig Zeit auf der Matte zu verbringen – im Gegenteil! Vielleicht wird eines Tages der Punkt kommen, an dem du auch andere Bereiche erkundest, vielleicht auch nicht. Letztlich geht es im Yoga ja darum, wie du dich fühlst!

Hattest du vielleicht schon ähnliche Überlegungen? Oder ganz andere Ansichten?

Namaste
Jil-Sophie

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